Das Red Bull-Modell als Exportschlager?

Ein Blick über den Tellerrand. Investoren sind im deutschen Fußball schon seit Längerem Mode. Die Zusammenarbeit mehrerer Vereine zum Zwecke gemeinsamen Scoutings und des Spieleraustausches wird bei den Global Playern zum Standard (siehe hierzu ein sehr guter Text von „Cavanis Friseur“).
Als Vereinsgeflecht ist die Red Bull-Familie jedoch die unangefochtene Nummer 1: konsequente Corporate Identity, maximale Ausnutzung der Regularien, um unerwünschten Einfluss Dritter auszuschließen, „Spielerdelegation“, u.v.m.
Doch das Modell zieht Nachahmer an, die sich die Synergieeffekte des Red Bull-Modells zum Vorbild nehmen. Für das Fußballportal „120 Minuten“ habe ich mir das Vereinsgeflecht von Flavio Becca, dem Investor des 1.FC Kaiserslautern, einmal angeschaut und analysiert, welche Synergien sich dort ergeben und welche Regularien, insbesondere im luxemburgischen Fußball dies begünstigen:

Flavio Becca und die Redbullisierung der Roten Teufel?

Der luxemburgische Bauunternehmer Flavio Becca hat durch sein Engagement beim Traditionsverein 1.FC Kaiserslautern dazu beigetragen, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des FCK kurzfristig zu gewährleisten und damit den bundesweit bedeutenden und regional unersetzlichen Standort zu erhalten. Im Rahmen der Diskussion über das Engagement Beccas als Investor gab es viel Pro und Contra zum Einstieg eines externen Investors generell. Zudem gab es die Frage der Auswahl zwischen einer regionalen Investorengruppe auf der einen und des luxemburgischen Bauunternehmers auf der anderen Seite sowie die Nebengeräusche im Rahmen der Entscheidungsfindung. Kaum diskutiert wurde das Vereinsgeflecht, das Becca im internationalen Fußball unterstützt. Wenigen ist bekannt, wie die von ihm geförderten oder kontrollierten Vereine kooperieren. Dieser Artikel soll das „System Becca“, seine Auswirkungen auf Spielertransfers und mögliche Auswirkungen auf den FCK genauer unter die Lupe nehmen.

Flavio Becca ist neben seinem Engagement in Kaiserslautern Hauptsponsor und Hauptgeldgeber beim luxemburgischen Serienmeister F91 Düdelingen und Eigentümer des belgischen Zweitligisten Royal Excelsior Virton. Auf Grund von Streitigkeiten mit der Gemeinde Düdelingen über einen Stadionum- bzw. -Neubau begann Becca ferner die Unterstützung von Düdelingen in Richtung des aktuellen luxemburgischen Zweitligisten Swift Hesperingen zu verlagern.

Hesperingen verpasste denkbar knapp in der Vorsaison den Aufstieg in die 1. Liga, ansonsten hätten bereits in dieser Saison zwei vom gleichen Investor unterstützte Vereine in der 1. luxemburgischen Liga gespielt.

Dass in Luxemburg derartige Spekulationen aufkommen, sagt bereits vieles über die Turbulenzen und Machenschaften unter den Spitzenvereinen des Landes aus. Schon vor Beccas Engagement in Hesperingen, der Gemeinde, in der er als Sohn eines italienischen Vaters aufwuchs, führte das System Becca zu Spannungen unter den Vereinen der BGL-League:

Im vergangenen Sommer ließen die stärksten Konkurrenten Düdelingens, Fola Esch (trainiert von Ex-FCK-Trainer Jeff Strasser) und Progrès Niederkorn ihre Mitgliedschaft im Ligaverband LFL ruhen, um gegen angeblich unlautere Wettbewerbspraktiken Beccas zu protestieren. Stein des Anstoßes sollen informelle Absprachen des finanziell nicht mehr in der Spitzengruppe angesiedelten Rekordmeisters Jeunesse Esch mit Beccas Düdelingen gewesen sein. Esch lieh sich vor der Saison 2018/19 mehrere hochklassige, aber bei Düdelingen nicht mehr berücksichtigte Spieler wie die Torjäger Omar Er-Rafik und Antonio Luisi aus. Im Gegenzug – so die Behauptung – musste Jeunesse Esch Düdelingen versprechen, keine Spieler an die Düdelinger Kontrahenten Fola und Progrès zu verkaufen.

Der Grund, warum derartige Absprachen begünstigt werden, liegt in den unzeitgemäß anmutenden Regularien des luxemburgischen Fußballs. Ein paar aktuelle Problempunkte:

  • Das Sommer-Transferfenster in Luxemburg schließt für innerluxemburgische Transfers zum 30.6., das Transferfernster für Transfers aus dem Ausland am 31.7., obgleich die Transferfenster sämtlicher anderer Ligen, mit denen man sich im europäischen Wettbewerb befindet, später schließen (Ende des UEFA-Transferfensters ist am 31.8.).
  • Im Winter-Transferfenster sind maximal zwei Transfers für den Ligakader erlaubt.
  • Die Vereine der BGL League dürfen nur 16 statt – wie international üblich – 18 Spieler in ihren Spieltagskader aufnehmen.
  • Ein Spieler darf binnen drei Jahren nach einem Transfer ins Ausland nur mit Zustimmung des letzten dem luxemburgischen Verband zugehörigen Vereins zurück nach Luxemburg wechseln. Beispiel:
    Ein Spieler wechselte 2017 von Düdelingen zum SV Elversberg. 2019 möchte ihn ein Verein aus Luxemburg verpflichten. Unabhängig vom Einvernehmen des aufnehmenden und abgebenden Vereines sowie der Vertragslage kann der Transfer nur stattfinden, wenn Düdelingen dem Transfer zustimmt.
  • Innerhalb Luxemburgs gilt, dass – unabhängig von der Vertragslage – ein Spieler drei Jahre bei einem Verein bleiben muss, ehe er zu einem anderen Klub innerhalb des Großherzogtums wechseln darf. Beispiel:
    Ein Spieler wechselt 2017 nach Düdelingen. 2019 möchte der Spieler zu einem anderen luxemburgischen Verein wechseln. Unabhängig davon, ob der Spieler vertraglich gebunden ist, ist ein Wechsel nicht möglich, er kann maximal ausgeliehen werden mit festem Wechsel 2020.
  • Nach einem Jahr Vereinszugehörigkeit darf ein Spieler an einen Drittverein verliehen werden.

Die Regularien führen dazu, dass der „besitzende“ Verein eine viel größere Machtposition hat als Fußballvereine in anderen Ländern. Hierdurch kann Flavio Becca, dessen Vereine sehr viele Spieler unter Vertrag haben, Wechsel zu Drittclubs zumindest zeitweise unterbinden und Spielern Nachdruck verleihen, zu „konzerninternen“ Vereinen zu wechseln, wenn dort Bedarf besteht. Aus Düdelingen wechselten zur neuen Saison 6 Spieler nach Virton, 7 nach Hesperingen – ein beachtlicher Wert.

Aktuell sind die drei Becca-Clubs Hesperingen, Düdelingen und Virton organisatorisch wie personell stark verwoben. Interessant wird die Frage, wie es sich mit dem 1.FC Kaiserslautern verhalten wird. Die dritte deutsche Liga ist dem aktuellen Niveau Düdelingens und Virtons nahe, sodass eine Erweiterung der Verwertungskette nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich ist. Wie stark diese ausgeprägt sein wird, dürfte auch damit zusammenhängen, wieviel Einfluss Flavio Becca beim FCK erhält.

Aufgrund der Verschiebung des Sponsorings in Luxemburg ist von einem Dreieck Kaiserslautern-Hesperingen-Virton auszugehen. Weitere Vereinsbeteiligungen schloss Flavio Becca kürzlich aus. Spekuliert wird bereits, dass Dino Toppmöller, der aktuell die UEFA-Pro-Lizenz erwirbt, in naher Zukunft das Traineramt bei den Roten Teufeln ausfüllen soll. Die bereits angesprochene Personalie Ferrera ließ ebenfalls erste Synergieüberlegungen erkennen. Über potenzielle Neuzugänge für den Kader aus Düdelingen oder Virton war – abgesehen von losen Spekulationen um Dave Turpel – noch nichts zu vernehmen.

Auch weitere Synergien dürften zeitnah folgen. Im Interview mit dem Fanportal „Der Betze Brennt“ gab Becca bereits die Richtung vor:
„Das ist sicher eine unserer Ideen, aber natürlich in einem kleineren Rahmen als bei Red Bull. Wir wollen die Austauschmöglichkeiten maximieren. Als ersten Schritt möchten wir zeitnah ein gemeinsames Scouting-Netzwerk aufbauen, quasi in einem Dreieck: Kaiserslautern, Virton und Düdelingen/Hesperingen. Das Ganze soll von Kaiserslautern aus organisiert und verarbeitet werden. Die sportlichen Leiter der Vereine können sich dann untereinander austauschen, welcher der beobachteten Spieler am besten zu welchem Verein passt. Außerdem lassen sich die Kosten für jeden Einzelnen somit senken. Erste Gespräche dazu wurden bereits geführt.“

Bei den weiteren Vereinen Düdelingen, Virton, Hesperingen sowie dem Profi-Radsportteam „Leopard Pro Cycling“ sind Sponsor (Leopard Natural) und die Trikotfarben und -designs angeglichen. Der Energydrink Leopard Natural soll bald auch auf dem deutschen Markt eingeführt werden. Danach dürfte sich auch ein Engagement in Kaiserslautern anbieten.

Es bleibt abzuwarten, wie das FCK-Umfeld auf den Einfluss von Becca reagieren wird.

Ein großer Teil der Kaiserslauterer Fanszene legt großen Wert auf die Bewahrung des Bezuges zur Vereinsgeschichte, die Erhaltung der Vereinsstruktur und steht dem Einstieg von Investoren im eigenen Verein wie auch bei der sportlichen Konkurrenz überdurchschnittlich kritisch gegenüber. Gerade das Konstrukt des von Flavio Becca gerne zitierten Red Bull-Konzerns wurde äußerst emotional diskutiert und stieß auf starke Ablehnung.

Die Zusammenarbeit von Düdelingen, Hesperingen und Virton in Bezug auf Spielertransfers, Vereinsorganisation und Sponsoring/Vereinsfarben trägt starke Züge des Geschäftsmodells von Red Bull, die insbesondere in Sachen Spielertransfers und Scouting zwischen einzelnen Standorten Wettbewerbsvorteile schaffen und im Rahmen der Durchsetzung des Corporate Designs besonders brachial vorgehen. Es wäre zu erwarten, dass dieser Punkt in der Diskussion um das Engagement Flavio Beccas einen größeren Stellenwert erhalten müsste.

Es ist mutmaßlich der geringeren Bedeutung der Fußballligen in Belgien und Luxemburg geschuldet, dass die beschriebenen Synergien und Geschäftspraktiken weniger im öffentlichen Bewusstsein angekommen sind.

Wir werden natürlich kein Red Bull 2.0 in Kaiserslautern erleben. Das Konstrukt in Leipzig, welches insbesondere im Hinblick auf die Vereinsgestaltung nach dem „Closed Shop“-Prinzip bislang nicht zufällig keine Nachahmer gefunden hat, wird durchaus mit Recht kritisch gesehen und eignet sich als Blaupause nur bedingt. Allerdings zeigt das Beispiel, dass die geschaffenen Synergien anderenorts als Vorbild wahrgenommen werden und daher auch Beachtung verdienen.

Wir sind gespannt, auf die weiteren Entwicklungen im Red Bull-Cosmos, insbesondere ob man weiterhin Spitze und damit Vorreiter in Sachen Innovation bleibt.